ASIEN 2011-2013

Auf in den Orient!

Wir freuen uns auf die Abreise. Einsteigen, anstarten, losfahren, abschalten und genießen. Mit leichtem Kopf und schwerem Gepäck. Oder umgekehrt? Oder beides? Mitte November ist August der Reisewagen natürlich nicht fertig, dafür aber wir. Wir beschließen, die anstehenden Reparaturen in der Türkei zu erledigen ­– bei Sonnenschein und angenehmeren Temperaturen. Wir lieben Bazare, die das Herz jeder türkischen Stadt sind. In Gaziantep finden wir einen der schönsten im ganzen Land. In Urfa dafür das bunteste Treiben. Wir sind fasziniert von den Menschen hier: Türken, Kurden mit Pluderhosen, viele Araber, bunt gekleidet in Samt und Glitter und verhüllte Wallfahrer, denn hier soll Abraham geboren worden sein. Und hier beginnt für uns der Orient.
Der Winter folgt uns mit großen Schritten, im Nordwesten Irans hat er uns endgültig eingeholt. Nachdem Peter bei -12°C die Heizung repariert hat, fahren wir ins Alborz-Gebirge. Was gibt es schöneres, als zu Weihnachten bei strahlendem Sonnenschein die ersten Spuren im Pulverschnee zu ziehen?

Iran ist anstrengend. Im Jänner ist die Landschaft karg und so sind wir auf Kulturreise. Isfahan, Kashan, Yazd, Shiraz und Persepolis sind nur ein paar unserer Stopps. Uns raucht der Schädel! Die Iraner stehen den Türken um nichts nach, was die Gastfreundschaft betrifft. Wir werden von Autos angehalten, die Fahrer beschenken uns mit Süßigkeiten und Stofftieren. Von den Einladungen zum Tee ganz zu schweigen. Kaum setzen wir uns zum Picknick nieder, werden schon die Kinder von nebenan  mit Datteln, Kuchen, Nüssen und Obst zu uns geschickt. Es ist nicht nur eine nette Geste, sondern auch eine Anbahnung zum Kennenlernen. Zwei Minuten später sitze ich schon inmitten von Frauen am Teppich, um mehr Tee zu schlürfen und von mir und Österreich zu erzählen. „Welcome to Iran!“, rufen uns viele entgegen. Das ist nicht nur eine Floskel, sondern wirklich ernst gemeint. Wir fühlen uns auch willkommen und sehr wohl in diesem interessanten Land mit den liebenswürdigen Einwohnern.

Arabische Halbinsel

Die Abfertigung im Hafen von Sharjah ist mühsam und dauert den ganzen Tag. Die Büros sind weit voneinander entfernt, die Mittagspausen lange und die Beamten gehen fleißigst beten. Eigentlich haben wir momentan genug von Städten, doch wenn wir schon mal da sind, schauen wir uns ein bisschen in Dubai um. Wir machen das, was alle tun: Wir gehen in eine der vielen Shopping Malls. Unfassbar, was es nicht alles gibt, das wir nicht brauchen!

Überwintern auf der Arabischen Halbinsel mit einer dicken Fleecejacke?? Das haben wir uns anders vorgestellt. Kurs auf Süd ist angesagt. Viele Kilometer durch eine monotone, vegetationslose Schotter- und Geröllwüste liegen vor uns. Unser Ziel ist Salalah, die Hauptstadt von Dhofar, der südlichsten Provinz Omans. Es ist das legendäre Land des Weihrauchs, das den Omanis früher Reichtum bescherte – heute ist es das Öl. Der erste Blick auf Salalah ist unglaublich. Am Horizont glitzert der Indische Ozean, davor liegt die großzügig angelegte Stadt mit ihren zahlreichen Plantagen. Hier gedeihen dank des Monsuns neben diversen Gemüsesorten auch Bananen, Papayas und Kokosnüsse. Es ist wie eine Oase! Wir lassen uns endlich wieder Zeit. Zeit für das Leben. Und das Leben ist einfach hier. Es ist einfach schön! Beim Frühstück beobachten wir Schildkröten, manchmal auch Delfine und dann tauchen wir ein ins Unterwasserparadies des Indischen Ozeans. Nach knapp zwei Wochen müssen wir uns förmlich losreißen von diesem zauberhaften Küstenabschnitt.

Magisch werden wir von der Rub Al Khali-Wüste, dem sogenannten „Leere Viertel“, angezogen. Leider haben wir uns für die größte zusammenhängende Sandwüste der Erde sehr windige Tage ausgesucht. Bei 45°C warten wir im Schatten von August auf das Abflauen des Sandsturmes und vertreiben lästige Fliegen. Die Zeit scheint still zu stehen. Doch das Warten hat sich gelohnt, wir erklimmen Dünen, staunen, bewundern, sind fasziniert von der Schönheit der Wüste und begeistert von den Farben und Formen der Sanddünen. Die Wüste hat uns abermals verzaubert, wir sind absolut glücklich.

Von der Wüste an die Küste. Das Meer und der Strand faszinieren uns einfach. Egal, ob wir nach dem Sonnenaufgang schauen, welche Schätze das Meer an Land gespült hat, abends die fluoreszierenden Wellen betrachten oder nachts Meeresschildkröten bei der Eiablage. Ab und zu machen wir einen Abstecher in Wadis (Trockenflusstäler), was wir dort erleben und sehen gefällt uns genauso gut. Wir tauschen das Rauschen der Wellen gegen Vogelgezwitscher, den Sand gegen fruchtbare Gärten mit blühenden Mango-, Orangen- und Dattelbäumen.

In Muskat erhalten wir ohne Probleme die Visa für Pakistan und Indien, also wissen wir, wohin es uns die nächsten Monate verschlagen wird. Als Abschluss vom Oman reisen wir in die nördliche Enklave Musandam. Mit einer alten Dhau fahren wir durch einige Fjorde. Es ist eine lustige Truppe an Bord: junge Leute von der halben Welt, die in Dubai arbeiten und nun Geburtstag feiern. Zwischen Sangria und Bier gesellen sich auch hautnah Delfine und Sardinenschwärme. Es gibt wohl keine schönere Abschiedsfeier vom Oman!

Auf dem Weg nach Indien

Die Temperatur in Iran ist die gleiche wie in Dubai, es ist sehr sehr heiß! Doch wir haben ein neues Erlebnis hier: Moskitos! Viele, und die werden uns noch lange begleiten. Nichts wie weg aus Bandar Abbas! Wir nehmen gleich Kurs auf Pakistan, fahren anfangs durch fruchtbare Landstriche, wo die Ernte gerade im Gang ist: Erdbeeren, Melonen, Tomaten, Gurken, Zwiebel und Getreide. Danach wird es immer karger.
In Pakistan machen wir eine Zeitreise, eine Reise in die Vergangenheit. Die Büros an der Grenze sind schmutzig, spartanisch eingerichtet und wenn man Glück hat mit Ventilatoren versehen. Unsere Daten werden mehrmals in Bücher eingetragen, die halb so groß sind wie der Schreibtisch. Es wimmelt von Leuten, die uns aus ihren verwitterten und staubigen Gesichtern anstarren. Alle haben sie eines gemeinsam: Sie sind sehr nett und sie haben alle Zeit der Welt. Was wissen wir eigentlich über Pakistan? Nicht viel, um ehrlich zu sein. Eine Straßenkarte konnten wir in Arabien nicht auftreiben, wir brauchen sie auch nicht, es gibt ohnehin nur eine Straße durch die Provinz Belutschistan und man wird von der Polizei eskortiert. Über den Bolan Pass geht es bergab in eine landschaftlich bezaubernde und fruchtbare Ebene. Die pakistanischen Lkw, die uns entgegenkommen sind eine Augenweide, wahre Kunstwerke. Man weiß gar nicht, wo man hinschauen soll. Alles ist bunt, glänzt, blinkt und bewegt sich.
Pakistan gefällt uns, die Landschaft, die Menschen, die Mentalität. Trotzdem bleiben wir nicht länger als eine Woche. Die Hitze und die vielen Gelsen nachts machen uns zu schaffen. Wir sind müde, erschöpft und gereizt. Noch dazu haben wir das Abendessen in Multan nicht vertragen und sind wirklich froh, unser Campingklo und jede Menge Plastiksackerln zu haben. Es ist diesmal nicht die richtige Zeit für Pakistan …

Millionen indische Touristen flüchten vor der Hitze im Tiefland und verbringen ihren Urlaub in den Bergen. So wie wir eigentlich. Schnell stellen wir fest, dass sie zu den neugierigsten Menschen der Welt gehören. Egal wo wir stehen bleiben, es dauert nicht lange und einige erklimmen August, sind fasziniert, dass das Lenkrad auf der linken Seite ist und bemerken jedes Detail. Nur zu gern würden sie ALLE in den Aufbau reinschauen. Liebe Inder, wenn ihr nur nicht so viele wärt!
Im Kaschmir Tal ist alles grün. Wir erblicken saftige Wiesen, die ersten Blumen, riesige Wälder und überall Flüsse und Bäche. Auch Seen gibt es, z. B. den Dal Lake in Srinagar. Hier schwimmen mehr als 1.200 Hausboote in allen möglichen Zuständen. Die englischen Kolonialherren durften kein Land besitzen, deswegen bauten sie eben „am Wasser“. Der erste Pass über 4.000 m liegt vor uns und vor allem vor August. Die Straße bzw. Piste ist nicht die beste, doch bergauf fahren wir ohnehin nur im Schritttempo. Faszinierend sind die Berge rund um uns, alles 5.000 bis 6.000er! Auf der Passhöhe fahren wir knapp an einer riesigen Gletscherzunge vorbei und danach ist alles anders: Die Landschaft ist karg, trocken, fast baumlos. Und auch die Menschen sehen auf einmal anders aus. Wir sind in Ladakh!  

Es zieht uns nach Zanskar, eine wunderschöne Gegend, die im Winter von der Außenwelt abgeschnitten ist. Man kann sich dann nur über den zugefrorenen Fluss bewegen. Fast alle Einwohner sind Buddhisten. Viele Klöster, Gebetsmühlen und bunte Gebetsflaggen säumen unseren Weg. Wir sind am Ende der Straße, es ist das Ende der Welt, aber einer sehr schönen Welt! Die Stimmung ist einzigartig, so wie auch die wenigen Einwohner. Ruhe, Zufriedenheit und Lebensfreude sind spürbar. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl. Es ist vielleicht genau der Ort, den wir nicht gesucht, aber gefunden haben. Wir unternehmen Wanderungen in dieser fantastischen Bergwelt, bestaunen die vielen Sternschnuppen in den klaren Nächten, besuchen Klosterfeste und lernen von Rexingjondol wie man Butter erzeugt und was „tsampa“ ist.       

Als wir in Leh, der Hauptstadt Ladakhs, ankommen, sind wir schockiert. Auf so viele westliche Touristen waren wir nicht vorbereitet! Menschenmassen schieben sich durch die Gassen im Zentrum, vorbei an Souvenirständen, Restaurants, Bäckereien und den Bäuerinnen, die frisches Gemüse und wunderbare Marillen verkaufen. Die Straße zum Kloster ist gesäumt von Hunderten von Menschen. Sie warten. Aber worauf? Wir erfahren, dass seine Heiligkeit, der Dalai Lama, zugegen ist. Nach zwei Stunden kommt der erste Mönch aus dem Kloster und wir müssen herzhaft lachen. Von der nahegelegenen Moschee beginnt genau in diesem Moment der Muezzin zu rufen. Als der Dalai Lama wenig später erscheint, ist es ganz still. Die Menschen, darunter viele Ladakhi und Exiltibeter, stehen auf, drehen ihre Gebetsmühlen oder falten ihre Hände und sind erfüllt von Respekt und Freude. Auch wir sind ganz angetan von diesem faszinierenden Mensch, sind ergriffen von seiner Präsenz und zutiefst beeindruckt.
In diesem Gewimmel entdecken wir doch tatsächlich zwei bekannte Gesichter: Verena und Wolfi! Wegen ihnen sind wir nach Indien gekommen. Die Freude ist groß. Mit den beiden besuchen wir den Unterricht des Dalai Lamas in Choglamsar, besteigen den Stok Kangri (was allerdings nur Wolfi gelingt) und schwimmen in den kalten Gebirgsseen nahe der tibetischen Grenze.

Der Rohtang La ist der letzte Pass, der uns endgültig in eine Gegend mit höherem Sauerstoffanteil bringt. Schlammig, weich, rutschig, schräg, viele Serpentinen, viel Verkehr und eine viele zu schmale Fahrbahn. Einen halben Tag nimmt die Strecke in Anspruch, Peter ist erledigt am Abend. Der Tribut, den August zollen muss, sind 2 gebrochene Federblätter auf der Vorderachse.
In Rishikesh stoßen wir auf den Heiligen Fluss Ganges. Jetzt, am Ende der Regenzeit, ist er ein reißender Fluss, der hier aus den Bergen kommt. Der Pilgerort ist das Meditations- und Yogazentrum Indiens schlechthin. Eine bunte Mischung von Personen trifft man hier: Yogis, Gurus, Sadhus, Hindu-Pilger, alternative Individualtouristen, Yogastudenten, Langzeitreisende und einige Exiltibeter. Abends finden pujas am Ufer des Ganges statt, das sind religiöse Zeremonien, Hindu-Gottesdienste mit Tänzen, Sprechgesängen, Musik und vielen Kerzen. Und so lassen auch wir den Tag ausklingen, einen der letzten in Indien. Am Ufer des Heiligen Flusses beobachten wir dieses Fest, streuen Blüten ins Wasser und genießen die kühlen Nebelschwaden, die über den Ganges ziehen.

Am Dach der Welt 

 

Nepal, der Himalaja, das Dach der Welt. Vor unserem geistigen Auge sehen wir nichts als schneebedeckte Gipfel, Bergsteiger und ihre Träger und buddhistische Gebetsfahnen von den Bergen flattern. Die Realität ist eine andere: Wir reisen im Westen des Landes ein und alles ist grün. Soweit der Blick reicht sind Reisfelder und Regenwald. Es ist heiß, es ist schwül und es regnet jeden Tag. Der Monsun hat auf uns gewartet. Terai nennt sich dieses fruchtbare Tiefland, wo ein Großteil der Bevölkerung lebt und sie sind keine Buddhisten, sondern Hindus.

Die Straßen sind im Vergleich zu Indien leer, was das Fahren direkt angenehm macht. Der Bardia Nationalpark liegt auf unserer Strecke. Hier gibt es Tiger, Elefanten, Nashörner, Krokodile, Leoparden, Wildschweine, verschiedene Antilopen und viele Vögel. Wir nehmen uns einen Führer und marschieren durch Wälder, Savanne und Hochgrasgebiete. Nachdem wir außer ein paar Böcken keine Säugetiere sehen, spezialisieren wir uns auf Insekten. Und davon gibt es hier mehr als genug. Während wir Spinnen beobachten und von Schmetterlingen umgeben sind, nutzen die Blutegel die Gelegenheit zur Jause. Wir finden einen Rhythmus: 15 Schritte – Stopp und Egelkontrolle. Wenn sie sich noch nicht ganz angesaugt haben, kann man sie gut mit den Fingern wegschnippen. Dazwischen müssen wir noch Moskitos erschlagen. Eine wirklich entspannte Wanderung.

„Und wenn’s genug geregnet hat, dann hört es wieder auf“, sagen wir laut vor uns hin, nachdem wir bereits eine Woche in Pokhara sind. Wir scharren schon in den Startlöchern für die Umrundung des Annapurna-Massivs. Die Natur lehrt uns Geduld. Anfang Oktober starten wir auf 800 m Seehöhe, gehen durch Reisfelder, Bananenhaine und kleine Dörfer. So geschwitzt haben wir selten, die Luftfeuchtigkeit ist unglaublich, doch der Regen konzentriert sich auf die frühen Abendstunden und die Nacht. Zu dieser Zeit liegen wir schon in einfachen Behausungen, der Bauch voll mit Dal Bhat (Reis mit Hülsenfrüchte und Gemüse) und lauschen dem Donner, den schweren Regentropfen und einem anfangs undefinierbaren Geräusch. Nach ein paar Tagen ist es uns schon geläufig und wir warten auf das Trappeln der Ratten unter dem Dach.
Wir folgen dem Marsyandi Fluss stromaufwärts, durch enge Schluchten und über fruchtbare Hochebenen. Zwecks Akklimatisierung legen wir einen Ruhetag in Manang ein. Der Zeitpunkt ist perfekt, es ist Peters 50. Geburtstag. Wir packen unseren Rucksack mit Leckereien (Yakwurst, Käse, Brot, Bier und Apfelschnaps) und finden einen windstillen Platz unweit einer Stupa. Faul liegen wir in der Wiese, schlemmen, feiern und sind glücklich. Vor uns, zum Greifen nahe, sind die eis- und schneebedeckten Riesen: die Annapurnas, Gangapurna, Glacier Dome – alle über 7.000 m hoch! Es ist so gewaltig schön, dass wir schreien, weinen und lachen könnten vor lauter Freude.
15 Tage lang marschieren wir rund um die gewaltigen Berge, an denen wir uns nicht satt sehen können. Abgesehen von der Kälte geht es uns gut. Peter hat in seinem ganzen Leben noch nie so viel Tee getrunken. Es wird emsig an der Straße nach Muktinath gebaut, was das Wandern nicht besonders reizvoll macht. Der hinzukommende Sturm und Staub, lässt uns schnell eine Entscheidung treffen: Wir fahren das letzte Stück mit dem Bus. Glücklich kommen wir in Pokhara an und schlafen selig im eigenen warmen und weichen Bett.

Ein paar Tage später tauschen wir unsere Luxusmatratze gegen harte Holzpritschen, anstatt Jasmin in der Vase haben wir Eisblumen am Fenster. Wir sind von Kathmandu nach Jiri geflogen, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung zum Fuße des Mount Everest. Das Wetter ist uns hold und gegen die kalten Nächte haben wir ein Rezept: In unsere Trinkflaschen füllen wir heißen Tee, stecken sie in die Isolierhüllen und danach in die Schlafsäcke. Durch diese Wärmeflasche können wir relativ gut einschlafen. Die Technik behalten wir nun jede Nacht bei. Der Schlafsack wird bis auf eine winzige Öffnung zugezogen, damit keine Wärme verloren geht und darüber legen wir noch eine Decke.
Ständig haben wir die Karte in der Hand, um den einen oder anderen Gipfel zu identifizieren. Die Namen klingen wie aus einem Märchen: Ama Dablan, Cholotse, Tabuche, Pumori, Kongma Tse. Langsam macht uns die Höhe zu schaffen, auf 5.000 m können wir nicht sehr gut schlafen, haben eine beschleunigte Atmung und erhöhten Puls und in der Früh leicht verschwollene Gesichter. 9°C hat es im Zimmer, allerdings unter null! Bei Kaiserwetter besteigen wir den Kalla Pattar (5.545 m), den Aussichtsberg schlechthin auf den höchsten Berg der Welt. Langsam beginnt die Sonne zu sinken und taucht die Berge in ein weiches, warmes Licht. Wir bestaunen das Glühen der Gipfel, die letzten Sonnenstrahlen fallen natürlich auf den Mt. Everest oder Chomolungma, wie ihn die Einheimischen nennen. Wir sind glücklich, aber auch dankbar, es bis hierher geschafft zu haben.

Anstatt den gleichen Weg zurückzugehen, wählen wir die weniger touristische Route über den Cho La ins Gokyo-Tal und weiter nach Lukla, wo wir nach 2 Wochen etwas müde ankommen. Und anstatt 25 min mit dem Flugzeug nach Kathmandu zu fliegen, gehen wir fast eine Woche zu Fuß bis Jiri und von dort schaffen wir es in einer Tagesetappe mit dem Bus in die Hauptstadt. Kleines Detail am Rande: Wir legen dabei mehr Höhenmeter zurück als zum Fuße des Mount Everest.

Und nochmal Indien

Erneut ist unser Ziel der Ganges, diesmal eine der heiligsten Städte Indiens, Varanasi. Jeder Hindu versucht hierher zu pilgern, um sich mit dem heiligen Wasser reinzuwaschen. Viele kommen nach Varanasi um zu sterben, denn dann erlangt man die Erleuchtung, scheidet aus dem Kreislauf der Wiedergeburt aus. Es ist ein faszinierender Anblick, wenn man zum ersten Mal an das Flussufer kommt, das mit Steinstufen, Tempel und Palästen gesäumt ist und natürlich mit tausenden von Pilgern. Noch vor Sonnenaufgang lassen wir uns in einem Boot an den Ghats, den Badeplätzen, vorbeirudern. Die Stimmung ist fast mystisch, die Pilger sind tief versunken in ihrem Gottesdienst, die Vögel begrüßen den Tag und gleichzeitig verabschieden sich Tote vom irdischen Dasein auf den Verbrennungsplätzen.

Wir befragen die Landkarte, wie weit es nach Goa ist. Etwa 2.200 km lautet die Antwort. Der Indischen Ozean ruft, laut, sehr laut sogar. August macht Kilometer in den nächsten 10 Tagen. Gerade rechtzeitig vor Weihnachten treffen wir in Agonda ein. Wir haben uns nicht nur auf das Meer und auf „Urlaub vom  Reisen“ gefreut, sondern auch auf unsere Freunde Verena und Wolfi, die nun neben uns parken. Wenn jemand behauptet, Zeit könne fliegen, so würden wir das sofort bestätigen. Die vier Wochen an dem herrlichen Strand mit dem Regenwald im Rücken und der Meeresbrise am Bauch kommen uns vor wie ein Augenzwinkern. Wir bezweifeln langsam, dass ein Tag wirklich 24 Stunden hat. Das Leben ist voller Süße und Müßiggang, dem wir uns gerne hingeben. Und bald sind unsere Energiespeicher wieder voll und das ist auch gut so.

Aktiver Kultururlaub, so könnte man die folgenden Wochen nennen. Zwischen der alten Königsstadt Vijayanager im Bundesstaat Karnataka, den über 2000 Jahre alten buddhistischen und hinduistischen Höhlen Ajanta und Ellora am Dekan-Plateau und dem Schauplatz des größten religiösen Festivals der Welt, dem Maha Kumbh Mela, in Allahabad liegen nur 12 Tage und 2.300 km auf indischen Straßen in allen nur erdenklichen Zuständen.

Begegnet man in indischen Städten schon Unmengen von Leuten, so ist dieses Fest mit Abstand der Höhepunkt. Die Pilger kommen aus ganz Indien. Mit Autos, mit Bussen oder zu Fuß. Müde schleppen sich die neu angekommenen über die Pontonbrücken, doch wenn sie das reinigende Bad im Ganges nehmen, ist alle Mühe vergessen, die Augen strahlen, das Ziel ist erreicht. 55 Tage dauert das Maha Kumbh Mela, das nur alle 12 Jahre stattfindet. Die Besucherzahlen gehen in die Millionen – täglich. Die heiligen Männer Indiens, die Sadhus, sind genauso zahlreich vertreten wie die Gurus, die in ihren Zelten predigen. Das ganze Mela Areal pulsiert. Es wird gebadet, gesungen, gegessen oder den Gurus gelauscht. Beschallung von allen Seiten. Hauptsache laut. Jedes Fleckchen wir genutzt: zum Schlafen, Betteln, Verkauf von Waren und um der Notdurft nachzugehen. Incredible India!

Jetzt heißt es Abschied nehmen von diesem schrillen, lauten, bunten Subkontinent mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern, den Heiligen Kühen und Männern, dem Verkehrschaos, dem köstlichen Essen, dem einsamen Bergland im Norden, den quirligen Städten und bunten Märkten. Indien wird man nie verstehen können, man kann nur staunen und das haben wir auch gemacht.

Heimreise

Wir haben 7 Tage Zeit Pakistan zu durchqueren, länger ist unser Transitvisum nicht gültig. Länger wollen wir auch nicht bleiben, denn es stehen Präsidentschaftswahlen vor der Tür und das verheißt in einem Land wie diesem nichts Gutes. Wir treffen uns in Lahore mit dem deutschen Unimog-Fahrer Mathias und seiner Hündin Paula. Gemeinsam reisen wir mitten durch Pakistan, durchs ländliche Pakistan und durch viele stark bevölkerte Kleinstädte. Auf keinen Fall wollen wir in die immer unruhige Stadt Quetta. Leider sind an diesem Tag alle Straßen in Belutschistan aufgrund von politischen Demonstrationen gesperrt und so schleppt man uns durch die ganze 3-Millionenstadt bis ins Polizeihauptquartier und lässt uns von dort nicht mehr weg. Auf einmal brauchen wir eine Reisegenehmigung und wieder eine Polizeieskorte. Durch Belutschistan sind wir alle angespannt, dürfen abends das Hotelgelände oder die Polizeistation nicht verlassen, werden die ganze Nacht bewacht, hören Schüsse und schlafen schlecht. Am letzten Drücker schaffen wir es bis zur Grenze, der Beamte rechnet mit den Fingern unsere Aufenthaltsdauer in Pakistan nach und zieht die Augenbrauen hoch. Ja, ja, wir wissen es selbst. Es ist Tag 7 und die Grenze schließt in einer Stunde. Uff, gerade noch geschafft!

In der grenznahen Stadt Zahedan fallen wir in einen Supermarkt ein, das Angebot und die unübertreffliche Freundlichkeit der Perser hauen uns um. „Coming from Pakistan this is like paradise!“, sage ich zum netten Verkäufer. Es zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Iran. Überall werden wir angelächelt, eingeladen, angesprochen und beschenkt. Das Nourouz-Fest, das iranische Neujahrsfest, findet gerade statt. Das halbe Land ist auf den Beinen, um die Familie zu besuchen und zu feiern. In der zerstörten Lehmstadt Bam herrscht genauso viel Trubel wie in der Stadt Kerman und im Vergnügungspark El Goli in Täbris. Wenn es einen Preis für die leidenschaftlichsten Camper geben würde, so wären eindeutig die Iraner die Sieger. Egal, ob neben der Straße, in Parks oder bei Sehenswürdigkeiten, überall sind Zelte aufgebaut. Die Perser sitzen auf Teppichen davor oder drinnen, essen genüsslich, trinken Tee, knabbern Nüsse, tratschen oder rauchen Wasserpfeife. Es ist ein großes Familienfest und wir sind ein Teil davon. Liebe Iraner, wir kommen ganz bestimmt wieder!

Die Flipflops und die T-Shirts packen wir beim ersten Schneegestöber in Südostanatolien gleich weg. Verdammt! Wo sind nur unsere Wollhauben?  In den Tiefen des vollbepackten Augusts.  Für mich kein Problem, ich setze eben wieder mein Kopftuch auf, wie schon die letzten Wochen. In der Südtürkei begrüßt uns der Frühling, die Obstbäume und die Rosen blühen, es riecht nach frischem Gras, nach Orangenblüten, nach Meer. Wir essen die ersten Erdbeeren in dieser Saison, waten mit den nackten Füssen im kühlen Mittelmeer und werden fast regelmäßig in der Nacht von Moskitos und starkem Gewitter mit Sturmböen geweckt.
2.500 km reisen wir in der Türkei. Durch Berge, Wälder, Flusstäler, am Meer entlang, an antiken Ausgrabungen vorbei, entlang von Glashäusern und Folientunnel, durch Millionenstädte und kleine Dörfer. Abwechslungsreich ist die Fahrt, aber eines ist doch immer gleich: die Freundlichkeit der Türken.

Bitte, bitte, bitte, lass uns in Griechenland einen schönen, ruhigen  Platz am Meer finden und lass die Sonne scheinen. Regenwetter begleitete uns nämlich von Izmir aus über die Dardanellen bis zur griechischen Grenze und darüber hinaus. Es ist Ende April. In den letzten Wochen haben wir viele, zu viele Kilometer zurückgelegt. Wir brauchen eine Pause, wollen so richtig Urlaub machen, nichts tun. Unsere Entscheidung fällt auf Chalkidiki, es ist eine sehr weise. Eine Bucht ist schöner als die andere. Wir parken August entweder direkt am Strand oder in einem lichten Nadelwald, von wo wir durch ein Meer aus Blumen zum Strand hinunter gehen. Wir genießen die Sonne auf der Haut, die uns Sommersprossen aufs Gesicht malt, den Sand unter den Fußsohlen und das kühle, kristallklare Mittelmeer. Abends liegen wir in einer windgeschützten Bucht, schauen aufs  Meer, auf den orangeroten Vollmond und lauschen den Wellen. Beobachten Delfine, bewundern die Steinmetzarbeiten im Fels und saugen abwechselnd an der Wasserpfeife und dem Glas griechischen Wein. Das Leben ist schön, es geht uns sehr gut. Nach zwei Wochen sind unsere Batterien wieder aufgeladen und wir sind bereit, die letzte Etappe nach Österreich anzutreten. Wir haben gemischte Gefühle, Freude und Bedenken, wie schon auf der Heimreise von Afrika.

Über Mazedonien, Serbien und Ungarn reisen wir nach Österreich. Mit dem iranischen Diesel läuft August hervorragend, auch wenn er ein bisschen mehr qualmt. Er schafft sogar eine Tagesetappe von 854 km! Wir suchen uns die schönste Jahreszeit aus, um nach Hause zu kommen. Mitte Mai dominiert die Farbe Grün, alles blüht und duftet. Es ist wirklich schön. Nach 1 ½ Jahren und 42.000 zurückgelegten Kilometern sind wir wieder zurück. Viele neue Eindrücke, Erlebnisse, Erkenntnisse und Abenteuer haben wir in unseren Köpfen. Aber auch neue Pläne.