Warum wir wieder nach Südafrika einreisen, ist leicht erklärt: Wir wollen das AfrikaBurn-Festival besuchen. Bis zum Beginn haben wir sieben Wochen Zeit. An der Küste fahren wir Richtung Süden. Die Landschaft ist karg, der Atlantik rau und die Pisten auch. Das erste Federblatt auf dieser Reise bricht. Kein Problem, wir haben Ersatz dabei und außerdem ein Schweißgerät, mit dem Peter die Laschen repariert.
Nachdem wir das Diamantensperrgebiet verlassen haben, beginnen die Zäune bzw. die Farmen. Nicht einfach einen Nächtigungsplatz zu finden. Anstatt gemütlich Richtung Weingebiete zu tingeln, müssen wir Gas geben. Das Zolldokument für unseren Lkw wurde an der Grenze nicht gestempelt, wir könnten dies in Kapstadt nachholen. Die Beamten sind ziemlich genau, doch nach ein paar Stunden ist alles geklärt und wir wieder frei!
Wir bleiben in Kapstadt, besuchen das Zeitz-Museum, beobachten Delfine lungern an der Waterfront herum und versuchen zum 100sten Mal Karten für das AfrikaBurn-Festival zu bekommen und scheitern erneut. Frustriert verlassen wir Kapstadt und lenken uns am Nachtmarkt im Weingut Boschendale ab, was uns bei Livemusik und ausreichend Wein sehr gut gelingt.
Zwei Wochen bleiben wir in der Weingegend rund um Paarl, Franschhoek, Stellenbosch und Sommerset West. Wirklich schön, sehr europäisch anmutend, sehr grün, da es in letzter Zeit viel geregnet hat. Dennoch besuchen wir einige Weingüter mit dem Rad, aber auch zu Fuß, treffen Verena und Wolfi und schaffen es endlich, Karten für das Festival zu bekommen. Halleluja!
In Bettys Bay an der Südküste machen wir Halt bei der Pinguinkolonie. Die Tiere sind wirklich überall, selbst am Parkplatz muss man aufpassen, dass man sie nicht überfährt oder auf ihre Nester tritt. Wir treffen aber noch jemand am Parkplatz: Guy und Marleen, ein belgisches Pärchen, das wir zuletzt in Mali 2009 getroffen hatten. Das gibt es doch nicht! Die beiden haben sich hier niedergelassen, wir übersiedeln gleich zu ihnen. Die Freude ist groß, der Gesprächsstoff auch.
Dann steht Ostern vor der Tür, die Südafrikaner haben Ferien. Die Campingplätze an der Küste sind alle ausgebucht, zwei Nächte ergattern wir bei Hermanus. Wir sind gar nicht böse, weiterfahren zu müssen. Es herrscht großer Trubel, viel Kindergeschrei und die Fahrzeuge parken dicht an dicht. Es gibt genügend andere Parkplätze, die Gegend ist relativ sicher. Dennoch versucht man eines Nachts, unsere Fahrräder, die am Lkw hoch oben angebracht sind, zu stehlen. Vergeblich, denn wir werden munter, und die Diebe laufen davon. Jetzt haben wir einen Schalter im Bett, mit dem wir nun das Rückfahrsignal aktivieren können.
Wir kehren dem Atlantik den Rücken, steuern nach Norden. Zwischen Robertson und Montagu entdecken wir ein paar wunderschöne Weingüter, wo man auch toll wandern kann. Auch sind es die letzten Versorgungsstationen, bevor wir auf das Festival in der Karoo fahren. Eine Woche dauert das Kunstfest, das immer mehr Richtung Musikfest geht. Das haben wir gehört. Was wissen wir noch? Dass es an das Burning-Man-Festival in Nevada angelehnt ist, dass es außer Eiswürfel nichts zu kaufen gibt, dass eine Kultur des Gebens herrscht, dass man bei allen Aktivitäten teilnehmen kann, dass es eine große Party ist und der Höhepunkt im Verbrennen der Monumente besteht. Wir sind sehr gespannt.
Als erstmalige Besucher – virgins – werden wir herzlichst begrüßt, umarmt und gleich mal gebeten, uns am Boden zu rollen. Somit sind wir herrlich staubig, was aber ohnehin in den nächsten Tagen passiert wäre. Wir parken in der „quiet zone“, aber ruhig ist es nirgends. Man kommt aber auch nicht hierher, um sich zu entspannen … Das Gelände ist riesig, trotz unserer Fahrräder schaffen wir es in acht Tagen nicht, das ganze Gebiet zu erkunden. Die Tage sind heiß, die Nächte kalt. Wüste eben. Am Morgen gehe ich zum Yoga, frühstücke mit Peter und dann schwirren wir aus. Es gibt so viel zu sehen, zu erleben, interessante Leute kennenzulernen, zu tanzen, zu genießen, zu diskutieren und zu lernen. Das AfrikaBurn ist ein Ort der intensiven Selbstdarstellung, eine sichere Plattform. Jeder kann sein, was und wer er will. Die Atmosphäre ist sehr positiv, die Stimmung ausgelassen, keine Aggressionen. Gefeiert werden die Kunst, die Selbstverwirklichung und das Leben. Und das mitten in der Wüste, weit weg von der Zivilisation unter einem fantastischen Sternenhimmel.
Das Thema heuer lautet SPACE, doch eigentlich ist es egal. Rund 12.000 Besucher sind dieses Jahr gekommen, es gibt Themencamps, Kunstwerke, mobile DJs, Mutanten Fahrzeuge, Workshops, Kabarett, Diskussionsrunden und viele schräge Installationen. Jeder ist aufgefordert mitzumachen, das macht das Festival so besonders. Egal, ob als Künstler, freiwilliger Helfer oder durch spontane Aktionen. Manche Burner haben sich für jeden Tag ein anderes Kostüm ausgedacht. Manchmal aufwendig, manchmal minimalistisch. Immer ausgefallen. Gerne zeigt man viel Haut, gepaart mit Netz und Spitze und Glitter. Wir haben auch ein bisschen eingekauft, doch wegen des starken Windes lassen wir es sein und ziehen uns nur lustig und bunt an. Die schönste Stimmung herrscht am Abend, wenn die Sonne und die Temperaturen langsam sinken, das Licht weich wird. Dann schlendern wir zu Little Paris, wo jeden Tag Champagner ausgeschenkt wird. Die Luft bebt bereits von der Musik, die in den Themencamps und auch von den mobilen DJs gespielt wird, die sich zwischen den Kunstwerken bewegen. Die Musik ist zwar nicht nach unserem Geschmack, in erster Linie wird Electronic gespielt: House und Techno, doch irgendwie kippen wir hinein. Nun ja, zumindest ich.
Die Nächte sind kurz, den Schlaf finden wir nur mithilfe von Ohrstöpsel. Nach dieser Woche sind wir einerseits müde, andererseits inspiriert. Irgendwie schweben wir noch auf dieser speziellen Wolke, die die Gemeinschaft der Burners möglich gemacht hat. Wir haben neue Freunde gefunden und alte wiedergetroffen, sind beschenkt worden, haben gegeben, haben vieles ausprobiert und sind dadurch ein Teil des Festivals geworden. Mit rauschenden Ohren reisen wir ab, lassen unseren Gedanken freien Lauf und sind uns einig, dass wir wieder kommen werden.
Jetzt haben wir einen straffen Zeitplan, denn wir fliegen nach Österreich. Allerdings nicht von Südafrika, sondern von Namibia. Rund 1.400 km liegen bis Windhoek vor uns, die wir in fünf Tagen bewältigen. Wir verschenken die letzten Lebensmittel, packen unsere Rucksäcke und parken August in einer Halle, wo er in guter Gesellschaft ist. Viele andere Fahrzeuge stehen hier, manche davon schon länger, wie wir an der Staubschicht erkennen. Irgendwie ein eigenartiges Gefühl, unser Fahrzeug einfach zurückzulassen. Aber zum Grübeln haben wir ohnehin nicht viel Zeit, wir müssen zum Flughafen. 20 Stunden später sind wir zu Hause. Auch irgendwie eigenartig, so schnell aus Afrika herausgerissen zu werden und in eine andere Welt ausgespuckt zu werden. Aber trotzdem schön und gerade jetzt im Mai so wunderbar grün! August muss bis Oktober auf uns warten, dann setzen wir unsere Reise fort. Hurra!